Ägypten weckt die Sehnsucht aller Sinne
Aegyptenweb.de - Alle Seiten Ägyptens
Sie sind hier: Koloniale Zeiten

 

Siteupdate:
22. April 2007

 

Koloniale Zeiten - dann kamen die ersten Touristen ...


Für die Pilger ist zur Zeit der Kreuzzüge Ägypten die Verlängerung des Heiligen Landes. Allerdings sind zu dieser Zeit nur Alexandria, Kairo und das Katharinenklosten auf der Halbinsel Sinai überhaupt erreichbar. Lange Zeit bleibt Ägypten Erzählung, Mythos biblische Landschaft.

Erst im 18. und 19. Jahrhundert weckt das Land und seine unvergleichliche Historie weit gefächertes Interesse. Um 1800 sind dann die „westlichen“ Kenntnisse über die ägyptische Historie schon recht profund. Napoleon und seine „Expedition“ trugen dazu ohne Frage entscheidend bei und diese „Expedition“ war es wohl auch, die die Ägyptomanie in die Welt trug. Napoleon - und in seinem Schlepptau 38 000 Mann - bevölkern 1798 zunächst Alexandria, dann das Delta und schließlich das Niltal bis nach Oberägypten. Es gab wohl viele Pläne, eine abgelegene Provinz soll in einen “westlichen” Staat umgeformt werden und die grandiose Historie soll der Welt zugänglich gemacht werden. Allerdings schafft es zumindest Napolen nicht, diese Pläne zu verwirklichen. Im Gegenteil, es kommt bereits 1799 zum Bruch mit Istanbul und zwei Jahre später unterzeichnet er die Kapitulationserklärung und zieht mit seinem Tross ab. Türken und Mamelukken streiten erneut um die Vorherrschaft im Land. Großbritannien unterstützt in dieser Zeit die Mamelukken - keinesfalls soll den Franzosen ein erneuter Zugriff auf Ägypten gewährt werden - aber auch das löst kaum Probleme, denn auch die britischen Truppen müssen 1803 abziehen. Der albanische Söldner Mehmet Ali nutzt die Gunst der Stunde, ergreift im allgemeinen Durcheinander die Macht und lässt sich zum Vizekönig krönen. Mehmet Ali hat auch ein recht glückliches Händchen. Er erhält - jetzt unterstützen die Franzosen wieder - zudem die Regentschaft über den Sudan, regiert Ägypten als unabhängige Dynastie, das Land bleibt vom Grundsatz her aber ottomanische Provinz. Eine seltsame Situation, die aber unter einem Sohn und einem Neffen Mehmet Ali’ aber einige Jahrzehnte hält. Ab 1875 kriselt es erneut, ein allgemeiner Streit über die Rechte des mittlerweile gebauten Suezkanals entbrennt und Ägypten geht es wirtschaftlich schlecht. Engländer und Franzosen teilen sich die Kontrolle über das gesamte Land, bis der jetzt gänzlich Bruch mit Istanbul und ausbrechende Revolten, die Briten dazu veranlasst Alexandria unter Beschuss zu nehmen und in Kairo einzurücken. Jetzt ist Großbritannien wieder am Zug und erklärt Ägypten zu seinem Protektorat. Ruhe kehrt deshalb aber dennoch nicht ein und 1922 hat die englische Krone keine andere Chance mehr, als den “unabhängigen Staat” Ägypten auszurufen. Der ehemalige Sultan Fuad lässt sich König krönen, Ägypten wird so zur Monarchie - unter der Kontrolle Großbritannien selbstverständlich. Faruk, der Sohn Fuak’ setzt diese Tradition fort, bis 1952 erneute Unruhen (die damit beginnen, dass Briten eine ägyptische Polizeistreife töten) Kairo in ein Schlachtfeld verwandeln. General Nagib tritt das Erbe König Faruk’ an, muss sich aber bereits 1953 den entstehenden politischen Druck beugen. Gamal Abd an Nasser betritt die Bühne, schafft die Monarchie ab und nach dem Abzug der letzten britischen Soldaten beginnt eine neue Großmacht Einfluss auszuüben, die damalige Sowjetunion.

Dendera, Hathortempel

Der Hathortempel von Dendera

Die etwas mitgenommen aussehende Zeichnung des Hathortempels bei Dendere stammt aus der “Expedition” - richtiger wäre wohl die Bezeichnung Feldzug - von Napoleon und wurde von einem seiner Zeichner angefertigt.

In einigen Teilen dieser Welt hatten sie doch so zuckersüßen Bezeichnungen: „Die gute alte Zeit“, „Goldene Zeiten“. In Ägypten waren die langen Epochen des 17. – 20. Jahrhunderts, wie in vielen anderen Teilen der heutigen Dritten Welt, geprägt von Fremdherrschaft, Selbstbestimmung war Ägypten lange Zeit fremd. Waren es bislang Römer, Griechen, Mamelukken – später Ottomanen, begannen Mitte des 19. Jahrhunderts Engländer und Franzosen über das Land am lebendsspendendem Nil zu bestimmen. Dies sollte bis spät in die 50iger Jahre des 20. Jahrhundert so bleiben und dies sollte auch die kulturellen und politischen Ausprägungen des Landes stark beeinflussen. Mitte des 19. Jahrhunderts begann Ägypten auch „Reiseland“ zu werden. Professionelle Ausgräber begannen damit, die historischen Schätze des Landes aus dem Staub und Dreck der vergangenen Jahrtausende zu schaufeln – und zu plündern. Aus dieser Zeit stammen praktisch alle Exponate in europäischen und amerikanischen Museen und Privatsammlungen. Schenkt man den blumigen Erzählungen auch nur ansatzweise Glauben, wurden tausende ägyptische Mumien als Heizmaterial für Dampflokomotiven missbraucht – in England versteht sich.

Aber auch die ersten touristischen Eskapaden musste das Ägypten des 19. Jahrhunderts erleben; zunächst die Abenteurer, dann aber auch zügig die Reichen und Schönen der westlichen Welt. Sie bereisten das Land mit den unterschiedlichsten Zielen und zu den unterschiedlichsten Zwecken. Freilich waren diese Reisen auch das ersehnte Abenteuer, mehr Expedition als Urlaub. Nicht nur viel Geld, auch Zeit musste ins Reisegepäck. Alleine die Überfahrt von Dover (über Genua) nach Alexandria dauerte mehrere Wochen und für die damals klassische Nilreise von Kairo nach Assuan und retour auf der Segelfelukke mussten gut und gerne weitere 4 – 6 Wochen veranschlagt werden – und nach hause musste man ja auch wieder. Freilich bleiben Reisen in das Land noch ein echtes Abenteuer.

Ramses Sphinx Krokodil
Von links nach rechts: Statue Ramses IV, Sphinx, Krokodil auf dem Deck einer Segelfelukke. Quelle: Descripion de I’Egypte

In diese Zeit datieren auch die ersten wirklich großen Hotels in Ägypten. Das Mena House und das Continental in Kairo, das Winter Palace in Luxor oder das Old Katarakt in Assuan um nur einige der heute noch bekanntesten zu nennen. Mitte des 19. Jahrhunderts entflammte die Ägyptomanie dann vollends. Es entstanden dutzende Romane und Vorlagen für (überwiegend schlechte) Filme, die entweder mehr oder weniger smarte Grabräuber umwarben oder aber pompös versuchten in das dynastische Ägypten einzuladen, wenn sie den jemals gedreht wurden. Die Tempel in Karnak und Luxor, das Tal der Könige und auch bereits die Tempelanlage von Abu Simbel, damals noch am Nil gelegen – den Staudamm gab es noch nicht – wurden von englischen, französischen und auch amerikanischen Touristen belagert. Die Touristikbranche hat also eine lange Tradition in Ägypten. Skurril anmutende touristische Hinweise und Ratschläge aus dieser Zeit machen deutlich, wo die Schwerpunkte lagen. So sagt der Guide Joanne, die französische „Hygienebibel“ 1861: „Es ist angeraten während er heißen Stunden des Tages nicht in die Sonne zu gehen, um sich vor der extremen Hitze zu schützen und sich vor Hitzschlägen zu hüten, welche tödlich sein können, indem er einen Tarbusch auf dem Kopf trägt – in Oberägypten auch mehrere übereinander – und alle freiliegende Haut mit einer Kufiyya verhüllt. Es ist Flanell auf der Haut zu tragen und eine Leibbinde um plötzliche Erkältungen und Durchfall zu verhindern.“

Der frühe Tourismus brachte auch die ersten Fotografen nach Ägypten und diese Fotografen brachten wiederum die ersten Bilder mit zurück nach Europa und Amerika. Mit Daguerreotypen ausgerüstet wurden die damals sichtbaren Monumente – die teilweise meterhoch im Sand steckten – bejagt und abgelichtet. Die Großen Pyramiden waren in diesem Zusammenhang schwer zu knacken. Horace Vernet, ein bekannter fotografierender Zeitgenosse brachte etliche Anläufe und eine Belichtungszeit von 15 Minuten um das Bauwerk erst in der „schwarzen Kasten“ und dann auf die silberbeschichtete Fotoplatte zu bekommen.

Händler am Nil Postkarte Verkäufer
Von links nach rechts: Händler am Nil. Quelle: Postkarte um 1860, an den Pyramiden, Dattelverkäufer.
Quelle: “silberne Bilder”, Gebrüder Abdul

Jetzt kann man das sehen wie man will, ganz sicher ist eine Reise nach Ägypten und vor allen Dingen eine Reise auf dem Nil damals wie heute ein besonderes Erlebnis - Pauschal hin, Bakschisch her. Ganz ohne Frage hat dies natürlich etwas mit den Tempelanlagen von Luxor, Karnak, Kom Ombo, Dendera oder Abydos zu tun; ganz ohne Frage spielt dabei das Tal der Könige und Deir el-Bahari eine große Rolle. Sofern man es zulässt (und zulassen kann) ist es aber noch viel mehr, das einbrennt in die Sinne und die Sehnsucht (wieder)weckt.

Eine Form es auszudrücken ist die folgende:

“Heute legen wir nirgends an, aber alles kommt zu uns, wie wir so fahren: Beni-Suef, eine große Stadt mit weißen Minaretts, einem grünen Palast und Vorstädten aus Nilschlamm (...) Und alles Uferleben wird uns sichtbar, vom Vogeldasein an bis zum einfachen Verlauf der Dörfer, die sich braun und einfärbig ans große Wasser herunterstufen. (...) Und auf einmal, oben auf einem runden Vorgebirg, ein abwartender Raubvogel.”

Rainer Maria Rilke, 1911

 

 

 

 

Sekundärbanner

 

Im Sudan
 
© Aegyptenweb. de, alle Rechte an Bildern und Texten vorbehalten soweit nichts anders vermerkt, weitere Einzelheiten siehe Impressum