Das Tal der Könige - Teil 2 ...
Topografie und Design der Gräber:
Normalerweise wurde mit dem Bau der Gräber unmittelbar nach der Thronbesteigung des jeweiligen Pharaos begonnen. Immerhin zogen sich die Bauarbeiten über etliche Jahre hin und jeder König wollte natürlich sichergehen, dass sein Grab mindestens "punktgenau" fertig gestellt war. Ausnahmen bestätigen aber auch hier die Regel; Papyrifragmente, auf denen die einzelnen Bauabschnitte peinlich genau nachvollzogen werden können, zeigen, dass in einigen Fällen (z. B. Ramses IV) erst 2 bis 3 Jahre nach der Thronbesteigung mit den Arbeiten an den Gräbern begonnen wurde. Einige Herrscher waren sich offenbar sehr sicher, eine lange Regierungszeit und natürlich auch ein langes Leben vor sich zu haben.
Praktisch alle anfallenden Arbeiten wurden von Handwerken geleistet, die das in unmittelbarer Nähe zum Tal liegenden (wahrscheinlich eigens errichtete) Dorf Deir el-Medina bewohnten. Besonders im Neuen Reich wird Deir el-Medina zur in sich geschlossenen Gesellschaft, was an den vielen Grabanlagen innerhalb der Siedlung selbst deutlich wird. Ganze Generationen lebten in der Folge alleine durch die Grabräuberei nur innerhalb der Ortsgrenzen. Über die Anzahl der in jeweils einem Grab beschäftigten Handwerker und Künstler und über deren "Arbeitszeit" gehen zwar die Meinungen recht weit auseinander, als Richtschnur kann allerdings angenommen werden, dass ca. 40 - 70 Mann jeweils in einem Rhythmus von ca. 10 - 12 Wochen in einer Grabanlage beschäftigt waren. Zunächst wurden natürlich die Tunnel und Kammern ausgehoben, was trotz des weichen thebansichen Kalksteins sicher eine "Mörderarbeit" war, denn es standen ja lediglich Werkzeuge aus weichen Legierungen zur Verfügung. Der anfallende Schutt wurde wohl (wie zum Teil auch noch heute bei Restaurierungsarbeiten) mit Körben ans Tageslicht gefördert.
Dann wurden die Wände so gut wie möglich geglättet und anschließend mit einer Schicht Gips überzogen, um die Zeichnungen und Reliefs herausarbeiten zu können. Auf dieser Gipsschicht wurden zunächst die Vorzeichnungen angebracht, die dann in mehreren Arbeitsgängen zu den unvergleichlichen Darstellungen wurden, die man noch heute in einigen der Gräber im Tal der Könige (noch intensiver im Tal der Königinnen) bewundern kann.
Zumindest im Neuen Reich hatte der jeweilige Herrscher ausreichend Zeit, um sich eine angemessene Grabanlage bauen zu lassen, auch wenn der Baubeginn und der Regierungsantritt nicht immer übereinstimmten. Seltsamerweise aber wurden die allermeisten Gräber nicht
fertig gestellt, zumindest was die Dekoration der einzelnen Gänge, Kammern und Räume betrifft. Es hat den Anschein, dass die Arbeit der Künstler zuweilen plötzlich (im Falle der Grabanlage des Haremhab von einer Minute auf die andere) eingestellt wurde oder eingestellt werden musste. Hierüber lässt sich sicher trefflich streiten und diskutieren, am sinnvollsten erscheint allerdings die Annahme, dass trotz aller Vorplanung und Weitsicht einfach zu früh und zudem ohne Ankündigung gestorben wurde. Obgleich die Alten Ägypten über ein beachtliches medizinisches Wissen verfügten, kam der Tod doch oft unvorhergesehen und manchmal auch ausgelöst durch einen eitrigen Zahn, einen Schlangenbiss oder einfach durch eine Lungenentzündung oder einen entzündeten Blinddarm. So wurden dann in aller gebotenen Eile innerhalb der vorgeschriebenen 70 Tage der Einbalsamierung nur noch die rudimentärsten Arbeiten abgeschlossen und dann der Leichnam in einem "unfertigen" Grab beigesetzt.
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Ganz rechts ist Tutanchamun (KV 62, 18. Dynastie) als Osiris zu sehen und die Abbildung daneben zeigt den Sarkophag von Thutmosis' III, der aufwendig aus Quarzit gearbeitet wurde.
Beide Gräber sind heute zugänglich. Beim Besuch des Grabes von Tutanchamun wird allerdings ein zusätzliche Gebühr verlangt.
Keines der Gräber im Tal der Könige war unversehrt, auch das Grab Tutanchamuns wurde in dynastischer Zeit bereits einmal geöffnet. Allerdings wurde dieses Grab nicht - wie alle anderen bis heute geöffneten Gräber - ausgeplündert. Der Fluch des Pharao lässt grüßen ;-) |
Bis zur 18. Dynastie waren die Grabanlagen regelmäßig nur in der Grabkammer selbst und den davor liegenden "Säulenkammern" ausgeschmückt. In der Ramessidenzeit wurden dann das Dekorationsprogramm nicht nur vielfältiger, sondern auch auf praktisch alle Gänge und Räume innerhalb der Grabanlage ausgedehnt. Auch die Art der Darstellung veränderte sich von der reinen "Malerei" weg und hin zur Reliefdarstellung (versenkt und erhaben). Es wurden zusammenhängende und komplexe "Geschichten" dargestellt, die überwiegend aus dem ägyptischen Totenbuch stammen und den toten Pharao auf seiner Reise durch die Unterwelt darstellen oder zeigen wie durch das reichen des Lebenszeichens, des Ankh-Symbols, der (nur) vergöttlichte Pharao zur tatsächlichen Gottheit wird. Noch bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die grandiosen Arbeiten als "wirres Zeug" abgetan und es brauchte lange bis die tatsächlich vorhandenen Inhalte sinnhaltig gedeutet werden konnte. All denen, die sich für die bedeutungschwangeren Abbildungen interessieren sei das Ägyptische Totenbuch ans Herz gelegt, zu dem es auch wirklich gute Übersetzungen in die deutsche Sprache gibt. Eines davon haben wir in unserem Literaturverzeichnis auch genannt. Das Ägyptische Totenbuch in der Fassung und Deutung von Albert Champdor beschreibt auch das Amduat (das, was es in der Unterwelt gibt), das älteste und bis zur 18. Dynastie einzige Unterweltsbuch.
Sehr stark vereinfacht werden die einzelnen 12 Stunden der nächtlichen Fahrt des verstorbenen Pharao auf der Barke (auf dem "Gegennil) durch die Unterwelt dargestellt. Zu Beginn jeder weiteren Stunde muss durch Isis, die den Pharao begleitet eine Art Passwort vorgelegt werde, um den Eintritt in diese Stunde zu gewährleisten. Die Weiterfahrt muss um jeden Preis gewährleistet werden, denn ein Stillstand der Barke würde dem Stillstand der Sonne gleichkommen und das Ende der Welt bedeuten. Die, die eigentliche Hauptszene umgebenden Register zeigen die Bewohner der Unterwelt und birgen zahlreiche Gefahren. Erst nach dem durchfahren der 12. Stunde kann die Vergöttlichung des toten Pharao abgeschlossen werden, das unendliche Leben für ihn beginnen und durch den beständigen Lauf der Sonne (dem Sonnenaufgang nach der 12. Stunde) die Welt weiter bestehen. Am Ende der 18. Dynastie (Haremhab) kommt eine etwas andere, bildlastigere Darstellung der Unterweltsfahrt (das Pfortenbuch) hinzu. Durch die schematisch bebilderte Darstellung des Eintritts in die jeweilig nächste Stunde sind hier die Grenzen der einzelnen Stunden nicht mehr so fließend.
Parallel zu der Nachtfahrt des Pharao zeigt der, die Szenen regelmäßig überspannende, Körper der Himmelsgöttin Nut eine ähnliche Symbolik. In Ihrem Leib durchläuft die Sonne (Re) die 12 Stunden der Nacht, um dann jeden Morgen als Re-Harachte erneut geboren zu werden. Symbol für die neugeborene Sonne und auch den neugeborenen Pharao ist der Skarabäus. Ist diese parallele Symbolik nicht phantastisch ?
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Abgebildet ist die 12. Stunde des Amduat (Grab Thutmosis' III, KV 34, 18. Dynastie). Der verstorbene Pharao (auf der Barke mit verschiedenen Göttern) steht kurz vor seiner Wiedergeburt (Vergöttlichung), durch den Leib der Schlange (nicht mit Hilfe der Schlange sondern wörtlich durch die Schlange). Am rechten Bildrand wird er symbolisch in Form eines Skarabäus wiedergeboren. Die, die Szene überspannende Nut (als Deckengemälde) ist leider nicht mehr zu erkennen. |
So wie die Ausschmückung der Grabanlagen im Laufe der Zeit immer aufwendiger wurde, so wurden die Sarkophage im Verlauf der Dynastien immer monumentaler. Auch hier spielt die 18. Dynastie eine entscheidende Rolle. Bis zu Amenophis III waren sowohl Design wie auch Ausmaß und Material (von Kalkstein bis Kalzit-Alabaster) der Särge eher bescheiden. Ab Amenophis III werden sie gewaltig und in der Ramessidenzeit (19./20. Dynastie) werden sie tonnenschwer und gigantisch. Zunächst haben die Sarkophage die Form einer Kartusche, dann werden sie künstlerisch gestaltet, wobei der Einfassung und der Verschlusssteine besonderes Augenmerk geschenkt werden. Oft werden ab der 18. Dynastie auch die Schutzgöttinnen Isis, Nephtis, Selket und Neith nicht mehr nur als Relief, sondern halbplastisch dargestellt. Auch reicht jetzt nicht mehr ein Sarkophag; es werden mehrerer ineinander gestellt, wobei die inneren beiden Särge (wie bei Tutanchamun) der Körperform des Verstorbenen nachempfunden werden. Ob allerdings die inneren Särge aller Herrscher wie bei Tutanchamun aus purem Gold waren bleibt zunächst ein Geheimnis. Die Sarkophage befanden sich (allerdings nur bei Tutanchamun nachgewiesen) in Schreinen verschiedener Größe und Ausführung. Auch hier wurde der Pharao durch die halbplastische Darstellung der vier Schutzgottheiten und des Osiris "abgeschirmt". Zur Grundausstattung jeder Grabanlage gehörte auch der Konopenschrein, der wiederum die Kanopengefäße beinhaltete. Hierin wurden die Innereien (nicht das Herz) des einbalsamierten Königs aufbewahrt. Und wiederum kommen an Kanopenschrein und Kanopengefäßen die (halb)plastischen Darstellungen der vier Schutzgöttinen zum Einsatz.
Die Wände der Grabanlagen wurden aber nicht nur durch religiöse, aus den Unterweltsbüchern entnommene, Darstellungen geschmückt. Besonders in den Vorkammern wurden "Szenen aus dem täglichen Leben" des Verstorbenen gezeigt, wohl um daran zu erinnern, dass kommende und unendliche Leben durchaus vergleichbar ist mit dem bereits gelebten Leben. Und natürlich bestanden die Grabbeigaben nicht nur aus religiösen Utensilien. Wie die Grabkammer (und Nebenkammern) des Grabes des Tutanchamun zeigen, wurde so ziemlich alles in das Grab gepackt, was man in seinem neuen Leben so gebrauchen kann. Gold und Edelsteine natürlich, Schmuck, Thronsessel, Streitwagen, aber auch Getreide, Blumen, Getränke und natürlich Uschebtis; das sind symbolische Helfer, die dem Wiedergeborenen tatkräftig zur Hand gehen.
Leben Tod und Grab des Tutanchamun ist ein eigenes Register auf diesen Seiten gewidmet. Sobald es fertig gestellt ist, erscheint u. a. an dieser Stelle ein Link.
Den allermeisten Gräbern fehlte bei der Öffnung die Mumie des Königs, was die Phantasie hoffnungslos anregte. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts aber kamen immer mehr Origialbeigaben aus Königsgräbern auf den lokalen und europäischen Kunstmarkt. Dies führte dann dazu, dass die ägyptischen Behörden Nachforschungen über die Herkunft anstellte und nach etlichen brutalen Verhören mehr oder weniger bekannter Grabräuber, insbesondere der Familie Abd el-Rassul (mit Sicherheit die bekannteste Grabräuberfamilie) Mohammed Ahmed Abd el-Rassul zugab, ein bis dahin unbekanntes Grab gefunden zu haben. Tatsächlich aber hatte Mohammed Ahmed kein unbekanntes Grab eines Pharaos gefunden, sondern vielmehr (in einem 12 Meter tiefen und 70 Meter langen Schacht, unmittelbar südlich des Tales) ein "Gemeinschaftsgrab" mit über 40 Särgen und den dazugehörigen Mumien. Wohl bereits in dynastischer Zeit wurden hier (vielleicht von Priestern, vielleicht von frühen Grabräubern, vielleicht von beiden in Personalunion) die Überreste zahlreicher bekannter Pharaonen vor, während oder nach dem Grabraub einer "Zweitbestattung" zugeführt. Es heißt, dass Emil Brugsch, der zu dieser Zeit den Generaldirektor der Altertümerverwaltung, Gaston Maspero vertrat, vor Überwältigung mehrmals ohnmächtig wurde, als er auf den Kartuschen Namen wie Thutmosis II oder Ramses II entzifferte. Dieses Mumienversteck ging als "Cachette von Deir el-Baharie" in die Geschichte ein. Heute muss der Reisende allerdings Glück haben, jemanden zu finden, der imstande ist auch nur die genau Lage dieses "Massengrabes" zu kennen. In sämtliche Himmelsrichtungen, auf sämtliche Steinhaufen und sogar auf das Ramesseum wurde nach Befragen gezeigt bis wir endlich vor dem geschichtsträchtigen "Loch" standen.
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