Luxor - Hochkultur und Sakralbauten ...
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Kaum blinzelten die ersten Strahlen des Re über die Hügel der arabischen Wüste am Ostufer des Nil, gebar der erste Ruf des Muhezin den Glauben der frommen Mohammedaner aufs Neue, wie schon in der Alten Zeit die symbolisierte Sonne dem verstorbenen König als Re-Harachte neues, unendliches Leben schenkte. Durch die geöffneten Fenster des Zimmers drang, zunächst gedämpft, dann immer deutlicher werdend, die erwachende Stadt mit all ihren Aromen und Geräuschen, legte sich sanft und kaum spürbar über den Halbschlaf und kroch unaufhaltsam in jede Fuge, nur um Sekunden später mit unendlicher Macht Träume und Ängste mit beinahe schmerzhafter Wucht zu vertreiben - jeden Tag aufs neue, ohne jemals zu ermüden und seit ewigen Zeiten.
Die Hotels in Luxor, in deren klimatisierten Fluren, Speisesälen und Empfangshallen die Reisenden mehr oder weniger wortgewaltig ihre vermeintlich kulturellen Erlebnisse austauschten und die, vor allem während der Hochsaison, den überfüllten Wartebereichen bundesdeutscher Bahnhöfe glichen, vernahm man nur mit Mühe das gedämpfte Murmeln der geschäftigen Bediensteten. Die Hotelgäste die sich der übermächtigen Leidenschaft für das Land am Nil hingebend, in den zum Teil zauberhaften Häusern eingemietet hatten, wurden umsorgt, hofiert und mit arabischer Gastfreundlichkeit beinahe erdrückt. Aber es war nicht nur diese Gastfreundlichkeit, die den Charme dieser Menschen ausmachte, es war etwas anderes; es war etwas, dass sich nicht beschreiben lässt, sich auf keinem Foto konservieren lässt. Es war etwas, das es zu erleben gilt - es war das personifizierte Ägypten.
Die Versuchung dieses Landes spiegelte sich auf den offenen Gesichtern der Menschen wider und dies konnte man an jeder Straßenecke, auf jedem Bazar, in jedem Bus und in jedem Hotel erkennen, vorausgesetzt man schritt ohne Vorurteile durch dieses wunderbare Land und war in der Lage Gesten zu verstehen und in Gesichtern zu lesen. Die Eindrücke des Tages manifestierten sich jeden Abend erneut, wenn nach wenigen Minuten der Dämmerung Re hinter dem westlichen Horizont verschwand, um am Morgen glänzend und erstärkt wiedergeboren zu werden.
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So bettelarm die Menschen auch waren, so unwirklich sich die Wüsten beiderseits des Nil auch darstellten, so verwahrlost und schmutzig die Städte und Dörfer sich auch zeigten, Ägypten das Land der Gottkönige, das ohne den Lebensspendenden Strom nicht existieren würde, hatte etwas Großes, etwas Einzigartiges, etwas Unvergessliches, etwas was die Sinne betrunken macht. Die Stimmung und das unvergesslich purpurne Licht des Sonnenuntergangs über dem Tal der Könige am Westufer des Nil, der grandiosen Nekropole des alten Ägyptens, verzauberten jeden, der imstande war die kleinen Wunder dieser Welt zu erfassen. Ein Spaziergang durch den großartigen Tempel in Luxor, der einzigartigen und mit nichts vergleichbaren Tempelanlage in Karnak, über drei Jahrtausende das historischen Theben, das geistiges Zentrum des alten Ägypten, versetzte jeden Besucher nicht nur in ungläubige Sprachlosigkeit, sondern ließ unbeachtet des grandiosen sakralen Zerfalls die Phantasie über Jahrtausende in die Vergangenheit wandern. |
Aber auch das neuzeitliche Luxor zog, obgleich der ständig präsenten Armut, die Menschen in seinen Bann. Stimmungsvolle Bilder beiderseits des Nil, ausgelassene und gutgelaunte Kinder beim Fußballspiel, schwer arbeitende Fellachen, die kärgliche Frucht der mühsam bewässerten Felder mit zufriedener Miene einbringend und eine Landschaft, die immerzu den Eindruck vermittelte, dass hier der Weg zum Schöpfer aller Dinge auf Erden kürzer und müheloser zu sein schien als anderswo auf dieser Welt.
Luxor liegt in Mittelägypten, am südlichen Ende der Ostbiegung des Nils und gehört zur Provinz Qena. Mit ca. 60 000 Einwohnern ist die reizvolle Stadt natürlich nicht mit Kairo zu vergleichen. Hier pulsiert nicht das Leben 24 Stunden wie in Kairo und hier regiert nicht das Chaos den Tag.
Luxor - eigentlich ganz Mittelägypten - war schon in der Kolonialzeit bekannt für sein gut verträgliches, ja gar heilendes Klima und der englische Adel fiel gleich Scharenweise über die Stadt her, um mehr oder weniger ausgeprägte Bronchialerkrankungen zu kurieren. Auch Lord Carnarvon (hm... eigentlich Georg Edward Stanhope Molyneux Herbert, fünfter Earl of Carnarvon), der Gönner des weltberühmt gewordenen Ausgräbers Howard Carter, Sie wissen schon, der das Grab von Tutanchamun fand und zu dem wir an anderer Stelle noch zurückkommen werden, erholte sich in Luxor von einem Autounfall.
Ein Spaziergang entlang der Corniche, die sich über die gesamte Westseite der Stadt, immer dem Nil folgend, bis zum Luxor Tempel erstreckt, bietet alle paar Meter neue Eindrücke, neue Erlebnisse. Folgt man, am südlichsten Bootsanleger beginnend, der Corniche in Flussrichtung, reihen sich auf der rechten Seite die Prachtbauten der ehemaligen Kolonialherren wie Perlen auf eine Kette. Direkt am Fußgängerweg schlendert man vorbei an unzähligen Souvenirverkäufern, die aus ihren grob gezimmerten Buden so ziemlich alles feilbieten was man sich vorstellen und auch nicht vorstellen kann. Es versteht sich von selbst, dass die, mit halsbrecherischen Gesten untermauerten Rufe: "Alles Festpreise - ich bin kein Halsabschneider - bei mir kein Handeln" keine Sekunde ernst gemeint sind und mitunter nur die Flucht vor dem neunten Horusfalken aus "Alabaster" schützt. Zwischen den kleinen Läden funkelt immer wieder der Nil in der stets gegenwärtigen Sonne und Nildampfer ziehen gemächlich Richtung Süden oder machen fest an einer der zahlreichen Anlegestellen. Nach einigen hundert Metern, direkt an einer Polizeistation, führt eine recht abenteuerlich aussehende Gasse in die Altstadt von Luxor sowie zum "Einheimischenmarkt" und zum "Afrikanischen Markt". Zugegeben, diese beiden Bazare entsprechen nicht unbedingt der Vorstellung westlicher Touristen über den orientalischen Liebreiz. Auch wir mussten uns zunächst an die eine oder andere, recht gewöhnungsbedürftige, Art der Lebensmittelbehandlung gewöhnen. Insbesondere die Zubereitung frischer Hammelinnereien "für auf die Hand" sozusagen, schreit nach Verständnis und intakten Magennerven. Nach einigen Biegungen und dunklen, staubigen Gassen wird es wieder heller, aber auch anonymer und im hier beginnenden überdachten sowie bewachten "Touristenmarkt" wird an jeder Ecke geputzt und gefegt. Das Sortiment orientiert sich am Geschmack des westlichen Touristen und bedarf wohl keiner näheren Schilderung. OK: Sauber, nett - aber ohne jegliches Flair.
Entscheidet man sich der Corniche zu folgen, führt der Weg unweigerlich am legendären Hotel Winter Palace vorbei. Angestaubter kolonialer Prunk, steife englische Gediegenheit und der Wunsch die Zimmer anzuschauen, das ist es wohl was man in den Blicken der flanierenden und Reiseführerbewaffneten Passanten zu erkennen glaubt. Wir konnten uns zurückhalten, worauf ich beim nächsten Besuch allerdings nicht wetten würde. Der Spaziergang, der mittlerweile eher einem kleinen Marsch ähnelt, geht weiter und die Tee- oder Kaffeestuben ziehen magisch an. Also - nur keine Hemmungen, süßer heißer (!!!) Tee oder Kaffee wirken Wunder und schmecken unvergleichlich. Für all diejenigen, die nicht glauben, dass heiße Getränke die Freunde der Durstigen sind, gibt es natürlich auch allerlei gut gekühltes. Und dem Raucher kann ich eine Schischah (eine Wasserpfeife) nur empfehlen.
Die Corniche führt weiter am Nil entlang zum Luxor Tempel, wie ich meine (Abu Simbel Fans mögen mir verzeihen) dem schönsten Tempel Ägyptens. Besonders in der Dämmerung ist die Magie dieses Ortes förmlich greifbar und die Mythen der Alten Zeit tanzen den Reigen der Unvergänglichkeit zwischen den Papyrussäulen und Obelisken, den Widdersphingen und dem Allerheiligsten.
Das nachstehende linke Bild zeigt den ersten Pylon des Luxor Tempels mit dem Obelisken Ramses II auf der linken, der östlichen Seite. Auch die gerade noch erkennbaren Sitzfiguren zeigen Ramses II. Von der, etwas westlich erkennbaren, stehenden Statue standen ehemals sechs (wohl identische) Figuren des Königs vor dem Pylon. Eigentlich wurde auch die westliche Seite des Pylon von einem Obelisken flankiert.1829 wurde dieser allerdings im Auftrag von König Louis Philippe nach Frankreich geschafft uns erhebt sich seitdem auf dem Place de la Concorde in Paris. Offiziell heißt es, der ägyptische Vizekönig Mohamed Ali habe seinerzeit den Obelisken dem französischen König geschenkt, wahrscheinlicher ist aber, dass er einfach mitgenommen wurde, zumal Ägypten damals unter französischem Protektorat stand und in dieser Zeit so manches unbezahlbare uns einmalige Stück Geschichte seinen Weg ins Ausland antrat - und nicht nur nach Frankreich. Übrigens, Louis Philippe schenkte auch Ägypten etwas: Einen "Uhrenturm", der heute noch im Innenhof der sog. Alabastermoschee in Kairo zu "bewundern" ist. Das Ding ist einfach nur hässlich - typisch, schönes und einmaliges wird "mitgenommen", der Sperrmüll wird verschenkt.
Die nachstehende Umzeichnung auf der rechten Seite zeigt den Grundriss des Luxor Tempel, wobei sich der Eingang mit dem beschriebenen Pylon wiederum auf der rechten Seite der Zeichnung befindet. Der Sockel auf dem der westliche Obelisk ehemals stand ist noch vorhanden und ist zur besseren Orientierung in der Zeichnung rot gekennzeichnet.
Der nächste Abschnitt beschreibt den Luxor Tempel etwas näher, ohne auch nur den annähernden Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben. Wir wollen hier nur Appetit machen, nicht Hunger stillen; zudem sind wir Amateure und zu der Tempelanlage existiert Literatur, die sich nur in Gewichtangaben beziffern lässt.
Analog der Umzeichnung von links nach rechts, der Mittelachse folgend:
Der Besucher betritt den Tempel durch den bereits beschriebenen Pylon und erreicht nach einigen Metern den Großen Hof von Ramses II, (Umzeichnung: weiße Umrandung) der von 74 Papyrussäulen umschlossen wird. Zwischen diesen sieht man Kolossalstatuen des Königs, mal stehend, mal sitzend. Die Säulen und Wände sind geschmückt mit religiösen Texten. An der Süd- und Westwand kann der Besucher ein gut erhaltenes Relief bewundern, das eine Prozession zeigt, die sich auf den Eingangspylon des Tempels zu bewegt. So kann man sich dieses grandiose Eingangsportal in seinem "Urzustand" realistisch vorstellen. In der Nord-Ostecke erhebt sich die Abu el- Haggag Moschee - natürlich nicht aus altägyptischer Zeit - in der aber dennoch regelmäßig an das Opetfest, das Erneuerungsfest, erinnert wird. Es folgen zwei weitere Kolossalstatuen Ramses' II; zwischen ihnen durchschreitend erreicht der Besucher den Säulengang von Amenophis III (Umzeichnung: graue Umrandung) mit 14 Papyrussäulen und offenen Kapitellen. Dieser Säulengang erinnert stark an den Säulensaal des Karnak Tempels. Direkt daran schließt sich der Innenhof Amenophis' III (Umzeichnung: schwarze Umrandung) an, der von einer doppelten Kolonnade aus Papyrussäulen umschlossen ist. Dieser wiederum mündet in den Tempel von Amenophis III, in welchem 32 Papyrussäulen (noch vorhanden) das ehemalige Dach trugen. Im dem anschließenden kleineren Raum, in dem noch 8 Papyrussäulen erhalten sind, wird der Aufbewahrungsort der heiligen Sonnenbarke vermutet. Vermutet deshalb, da unter römischer Herrschaft hier ein Kultraum eingerichtet wurde und damit auch bauliche Veränderungen vorgenommen wurden. Der Mittelachse weiter folgend gelangt man in das (durch 4 Papyrussäulen markiert) Sanktuarium Alexander des Großen, aus dem ein Zugang in den Geburtsraum (im Osten des Sanktuariums') führt, welcher wiederum durch Amenophis IV (Echnaton) aber ziemlich verwüstet wurde. Zu Echnaton werden wir an anderer Stelle zurückkommen. Am südlichen Ende befindet sich noch der Raum für das Kultbild der lokalen Gottheit und einige Kapellen. Rings um den Tempel sind noch die Überreste einer römischen Festungsanlage zu entdecken. Der heutige Reisende hat aus den verschiedenen Sälen, Gängen und Kapellen reizende Ausblicke auf die Corniche und den Nil; während der Alten Zeit war die gesamte Anlage allerdings von einer kolossalen Mauer umgeben und bildetet somit einen in sich abgeschlossenen Tempelbezirk.
Interessant ist auch, dass 1989 bei Reinigungsarbeiten im Hof von Amenophis III ein Statuendepot gefunden wurde, das Statuen der Pharaonen Amenophis III, und Haremhab, Abbilder der Götter Atum, Hathor und Iunit, ein Sphinx Tutanchamuns' sowie mehrere beachtliche Steinkobras enthielt Momentan wird wohl davon ausgegangen, dass die Artefakte bei der Umwandlung des Tempels in eine römische Garnison versteckt wurden.
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